Eine Reise mit dem “Nordsee Express”
Die Verbindung (Stuttgart-) Kornwestheim Pbf- Westerland (Sylt) war über Jahrzehnte ein echter Klassiker unter den Autoreisezug- Verbindungen in Deutschland. Auch deswegen erinnere ich mich all zu gerne an unsere Familienurlaube in Dänemark wo wir einen großen Teil der Wegstrecke mit dem Autoreisezug nach/von Niebüll zurück legten.
Eines meiner ersten Fotos entstand 1985 während eine unbekannte 110 im Kornwestheimer Pbf rangierte.
Von 1979 bis 1988 reisten wir mit dem Tagesautoreisezug, von 1989 bis 1995 ging es mit dem Nordsee-Express und dessen Nachfolgern durch die Nächte.
Ausgangspunkt der Reise war immer Kornwestheim Pbf, hier im August 1992 während der Zusammenstellung des Zuges. Diese Aufgabe übernahm in Kornwestheim eine 360 während in Niebüll eine 333 (Köf III) für diese Aufgaben herangezogen wurde. Bei genauerer Betrachtung erkennt man bei den Autotransportwagen DDm 915 die unterschiedlichen Lackierungsvarianten “fernblau” (RAL 5023), “chromoxidgrün” (RAL 6020) sowie “ozeanblau” (RAL 5020).
In Richtung Rijeka und Neapel wurden zu dieser Zeit auch noch die älteren Bauarten Laekkqss 538, Laekkmqss 539 und Laeqrss 546 eingesetzt.
Für mich stellten schon die langen Zugfahrten absolute Höhepunkte dar. Dazu gehört untrennbar der Standardspruch meiner Eltern, wonach ich ohnehin keinen Sitzplatz bräuchte, da man mich permanent am offenen Fenster oder durch den Zug wandelnd vorfände. Die dunkelbraunen Wandvertäfelungen und die plüschig wirkenden Sitze in unserem Am 202 hinterließen einen besonders gemütlichen Eindruck.
Endgültig legendär wurden die Touren für mich, nachdem es auch noch möglich wurde, Blicke in die Führerstände der Lokomotiven, meist der BR 110, 103 und 218, zu werfen. Einmal durfte ich sogar Mütze, Krawatte und Uniformjackett des Zugführers anprobieren! Die vorbeiziehenden Landschaften bildeten stets einen schönen Anblick, doch wir Kinder verspürten zwischendurch auch mal Lust auf etwas Süßes, während die Eltern sich auf einen heißen Kaffee freuten. Obligatorisch war der unvergessene Schwarzwaldbecher, zweifelsohne ein weiterer Höhepunkt während der langen Fahrt. Kredenzt wurden die Köstlichkeiten in heute kaum noch vorstellbarem hell- bzw. dunkelbraunem Plastikgeschirr. Getoppt wurde der optische Eindruck durch das Personal der DSG, gekleidet in orangefarbenen Jacketts und dunkelbraunen Hosen.
Bis ins Jahr 1988 verkehrte der Zug als Tagesautoreisezug D 9790/91 (Kornwestheim- Westerland) gebildet aus 1. Klasse Sitzwagen Am 202. Den gastronomischen Teil stellten in den ersten Jahren ein ARmh 217 “Kakadu”, später ein WRmh 132 und letztendlich ein WGmz 825 dar.
Ab 1989 ging es dann mit dem Nordsee-Express durch die Nacht; erst im Familienabteil des Liegewagens, später dann im Schlafwagen. Höhepunkte der Nachtfahrten waren das abendliche Neckartal und die Einfahrt ins nächtliche Frankfurt am Main mit seiner schon damals ausgeprägten Hochhaus-Silhouette. Meist waren wir schon aufgewacht, als es durch das morgendliche Hamburg ging.
Wenig später überquerte unser Zug den Nord-Ostsee-Kanal. Die schleswig-holsteinische Marschlandschaft, oft getaucht in Morgennebel, versprühte eine unvergessliche Atmosphäre. Meist dauerte es auch nicht mehr lange, bis sich der Nebel lichtete und erste Sonnenstrahlen die Landschaft erhellten. Am Bahnhof Heide (Holst) wurden durch eine örtliche Bäckerei frische Brötchen in den Zug geliefert, wir ließen uns sodann das Frühstück munden. Es wurde anfangs im Abteil serviert, ab 1991 stand dafür ein Gesellschaftswagen des Typs WGmh 840 zur Verfügung. Nach Ankunft in Niebüll blieb während des Abladevorgangs der PKW Gelegenheit zu einem kurzen Blick auf das überaus interessante Betriebsgeschehen im Bahnhofsareal. Ein zweites Frühstück nahmen wir im Strandhotel in Dagebüll ein, das aufgrund seiner Lage hervorragende Ausblicke auf das Wattenmeer und den Bahnbetrieb am Fähranleger bot.
Unser Auto brachte uns weiter nach Dänemark, wo wir den eigentlichen Urlaub verbrachten. Nach erholsamen Aufenthalten im nördlichen Nachbarland freute ich mich natürlich immer riesig auf die erlebnisreiche Zugfahrt nach Hause ins Ländle.
